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Erste Region weltweit - Bald soll es einen digitalen Führerschein für EU-Bürger geben

06.03.2023


In der EU nimmt die Digitalisierung des öffentlichen Lebens weiter Fahrt auf. So weit, wie in der Zukunftsvision von Zurück in die Zukunft II, sind wir heute allerdings im Verkehrsbereich noch nicht. Robert Zemecki hat sich das Jahr 2015 in seiner Kultfilmreihe bereits mit schwebenden Skateboards und fliegenden Autos vorgestellt. Aber ein digitaler Führerschein kann schon bald Realität sein. Die EU wäre damit die erste Region weltweit.  

Hintergrund ist  ein neues Straßensicherheitspaket der Europäischen Kommission, das EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean am 01. März bei einer Pressekonferenz vorstellte. Die Kommissarin will nicht nur die grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei schweren Verkehrsverstößen verbessern, den Fahlschulunterricht in allen Mitgliedsstaaten modernisieren, das begleitete Fahren ab 17 Jahren EU-weit einführend und einer grenzüberschreitenden Probezeit für alle EU-Fahranfänger vorschreiben. Auch der digitale Führerschein soll bald Standard für EU-Bürger werden. 

Die Europäische Kommission strebt mit der digitalen Fahrerlaubnis an, den grenzüberschreitenden Verkehr zu erleichtern und die lästige Suche nach Dokumenten zu ersparen. Jede EU-BürgerIn soll den Fahrausweis auf sein Handy oder ein anderes digitales Endgerät laden und von dort aus immer abrufen können. 

Wer jetzt Angst hat, seinen analogen ‚Lappen‘ zu verlieren, den kann die Verkehrskommissarin beruhigen. Sie machte bei  der Pressekonferenz klar, dass es nach wie vor möglich sein wird, eine physische Version des Ausweisdokuments zu beantragen. 

Wir vom Europahaus Nordthüringen sagen: Es ist wirklich wichtig, dass es nach wie vor die Möglichkeit geben soll, einen analogen Führerschein zu verwenden. Insbesondere älteren Menschen, die häufig nicht besonders technik- und digitalisierungsaffine sind, hilft es, ihren Fahralltag auf die altbekannte Weise zu bewältigen. So laufen SeniorInnen nicht Gefahr, in der Mobilitätswelt abgehängt zu werden. Dies stärkt den Zusammenhalt zwischen den Generationen. 

Joe Bidens Inflation Reduction Act – Wo bleibt eine schlagkräftige Antwort der EU?

15.02.2023


Die Inflationsrate der USA geht zurück. Während sie im Juni 2022 noch um 9,1 Prozent höher als im Vorjahresmonat war, lag sie im Januar 2023 nur noch bei 6,4 Prozent. Mitzurückzuführen ist dies auf den Inflation Reduction Act (IRA) mit dem die Biden-Administration über 700 Milliarden US-Dollar mobilisiert. Mit 238 Milliarden Dollar von dieser Summer werden Staatsschulden beglichen, mit 391 Milliarden grüne Energie gefördert, die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente gesenkt und in die heimische Energieversorgung investiert. 

 

Laut Josefin Meyer (2023) vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung soll der IRA vor allem dreierlei bezwecken: 1. Stärkung der heimischen Wirtschaft. 2. Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Lieferengpässen. 3. Positionierung der USA als Technologieführerin. Inwieweit diese Ziele erreicht werden, kann heute noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es ist jedoch klar, dass die US-Regierung nicht allzu viele Finanzmittel mobilisiert: Die 391 Milliarden Dollar sind für 10 Jahre angedacht und belaufen sich damit jährlich auf durchschnittlich 39,1 Milliarden Dollar. Dies ist äußerst gering, setzt man sie ins Verhältnis zu den US-amerikanischen Staatsausgaben. Allein 2021 betrugen sie etwa 9,7 Billionen Dollar. 

 

Dennoch fällt das mediale und politische Echo auf den IRA in Europa ziemlich negativ aus. Dies liegt vor allem daran, dass in ihm eine America-first-Note mitschwingt: Der IRA begünstigt steuerlich nur jene Unternehmen, die grüne Technologie und kritische Rohstoffe in den USA produzieren oder sie aus Ländern beziehen, mit denen die USA Freihandelsabkommen abgeschlossen hat. Zu letzteren gehören etwa Mexiko und Kanada. Europa ist dabei außen vor, da die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP, welches zwischen den USA und der EU angedacht ist, seit mehreren Jahren auf Eis liegen. 

 

Was auf der einen Seite die US-Wirtschaft stärken soll, droht auf der anderen Seite, der EU-Wirtschaft zu schaden. Denn: Durch die Subvention von US-Unternehmen werden gleichzeitig Anreize für ausländische Unternehmen gesetzt, ihre Produktion in die USA zu verlagern. Dort können sie nicht nur von den günstigeren Energiepreisen sondern auch von staatlicher Hilfe profitieren. Außerdem fürchten EU-Unternehmen um Absatzmärkte in den USA, sollte es durch den IRA gelingen, die US-Wirtschaft weniger importanhängig zu machen. Insbesondere das exportgetriebene Wachstumsmodell Deutschlands droht so beeinträchtigt zu werden. 

 

Was hält die EU nun dagegen? Zentral ist hier ein Industrieplan, den die Europäische Kommission (2023) am 01. Februar vorgestellt hat und der auf den Europäischen Grünen Deal aufbaut. Mit diesem sogenannten Green Industrial Plan soll „die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen CO2-neutralen Industrie gestärkt und der rasche Übergang zur Klima-Neutralität unterstützt werden“. Doch kann er das Versprechen der Kommission einlösen, Europa eine „Führungsrolle“ bei der CO2-neutralen Industrie zu sichern? Wohl eher weniger. Es handelt sich lediglich um eine unverbindliche Ideensammlung, EU-Gesetze sollen erst später folgen. Spiegelbildlich zum IRA sieht der Kommissionsvorschlag vor allem eine Lockerung der strikten EU-Beihilferegeln sowie Steuervergünstigungen vor. Hingegen sollen im Gegensatz zum US-amerikanischen Pedant keine zusätzlichen Finanzmittel mobilisiert werden. 

 

Und selbst eine Lockerung der Beihilferegeln stößt bereits auf Widerstand. Lediglich Deutschland und Frankreich sind dafür, während vor allem kleinere EU-Staaten fürchten, bei einem drohenden Subventionswettlauf auf der Strecke bleiben. Diese Sorge ist durchaus berechtigt. Finanzkräftigere Länder wie Deutschland können leichter an frisches Geld kommen, während finanzschwächere Länder wie Italien dabei immer wieder Probleme haben. Andersherum blocken Frankreich und Deutschland sowie die Niederlande einen Vorschlag ab, der vorsieht, dass alle EU-Staaten zusammen Schulden  

für grüne Invesitionen aufnehmen. So würde das Risiko bei der Kreditaufnahme für den einzelnen Mitgliedsstaat sinken, wovon vor allem finanzschwächere Länder profitieren würden. Eine gemeinsame Schuldenaufnahme geschah beispielsweise, als es 2020 um die Finanzierung des Wiederaufbaufonds zur Bekämpfung der Coronakrise ging. 

 

Derzeit sieht es nicht danach aus, dass es in naher Zukunft zu einer Einigung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten kommt. Derweilen wird auch ein juristisches Vorgehen gegen die Subventionspolitik durch den IRA in Erwägung gezogen. Bereits Anfang Dezember haben Abgeordnete des Europaparlaments eine Klage vor der Welthandelsorganisation gegen die USA diskutiert. Eine mögliche Klage ist nun erneut auf dem Tisch. Damals wie heute kommen sie zu der Einschätzung, dass die protektionistischen Elemente des IRA gegen Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen würden. 

 

Doch dauert eine solche Klage mehrere Jahre. Und sowohl der drohende Klimakollaps als auch die sich verschärfende Konkurrenzsituation von europäischen und US-amerikanischen Unternehmen sind heute schon Anlass genug, auch hier die Förderung grüner Wirtschaftszweige massiv auszubauen. Dazu bräuchte es aber ein gemeinschaftliches und solidarisches Vorgehen der Mitgliedsstaaten. Hier liegt der Ball vor allem im Feld von finanzkräftigeren Ländern wie Deutschland. Diese stemmen sich jedoch bisher gegen eine gemeinschaftliche Schuldenaufnahme zur Finanzierung industriepolitischer Gegenmaßnahmen, welche grünes Wirtschaften stärken sollen. 

 

 

 

Quellen 


Europäische Kommission (2023): Der Industrieplan für den Grünen Deal: Für Europas CO2-neutrale Industrie die Führungsrolle sichern. Pressemitteilung vom 01. Februar 2023. Link zur Onlineressource: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_510. [Abrufdatum: 14.02.2023].

Meyer, Josefin (2023): Inflation Reduction Act bringt EU in Zugzwang bei kritischen Rohstoffen und grünen Technologien. Pressemitteilung vom 08.02.2023. Link zur Onlineressource: https://www.diw.de/de/diw_01.c.864924.de/inflation_reduction_act_bringt_eu_in_zugzwang_bei_kritischen_rohstoffen_und_gruenen_technologien.html. [Abrufdatum: 14.02.2023].

 

 

 

Kampfpanzer-Lieferungen: Transatlatiker first – EU second 

30.01.2023

 
 

Jetzt wird es ernst: Die deutsche Regierung will im informellen Bündnis mit den USA und anderen Staaten Panzer an die Ukraine liefern. Vierzehn Leopard-2-Panzer kommen davon alleine aus der Bundesrepublik. Im „Panzerbündnis“ befinden sich auch mehrere EU- und NATO-Mitgliedsstaaten wie Polen, Finnland und Spanien. Größtenteils wollen die EU-Staaten aber keine Kettenfahrzeuge abgeben. Und die entsprechenden Regierungen haben dafür auch nachvollziehbare Gründe: So machte die tschechische Regierung klar, dass sie nicht zugunsten der Ukraine auf das Kriegsgerät verzichten könne. Und auch die Slowakei wolle einen Import deutscher Leopardpanzer nicht an die Ukraine umwidmen, weil sie selbst schon Ersatz für abgegebenes Gerät sind und daher als unverzichtbar gelten. 

 

Allgemein ist in der EU höchst umstritten, ob die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützt werden solle. Laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung unterstützte im September lediglich die Hälfte der EU-BürgerInnen die Abgabe von Kriegsgerät an die Ukraine – das sind 6 Prozent weniger als noch im März 2022. Schaut man sich die Zustimmung nach  Mitgliedsstaaten an, fällt die Bejahung zu Waffenlieferungen an die Ukraine sehr divers aus: Während sie etwa Polen mit 76 Prozent befürworten, unterstützen dies Italiener um mehr als die Hälfte weniger (36 Prozent). Deutschland ist hingegen gespalten, denn etwa 48 Prozent sind positiv gegenüber der Lieferung von Kriegsgerät an den angegriffen Staat in Osteuropa eingestellt (Bertelsmann Stiftung 2022). 

 

Es lässt sich also festhalten: Weder von den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten, noch von der EU-Bevölkerung gibt es ein eindeutiges OK für die Lieferung von Leopardpanzern bzw. Kriegsgerät im Allgemeinen. Wieso dann dieser Schritt? Dafür sind mindestens drei Faktoren ausschlaggebend:

 

Erstens hat die Ukraine über Wochen öffentlichkeitswirksame PR-Kampagnen verfolgt. Insbesondere der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mehrfach öffentlich betont, wie wichtig Panzer für den Sieg der Ukraine seien und die zögernde Haltung von Olaf Scholz und seiner Regierung kritisiert. Begleitet wurde dies von einer Social-Media-Kampagne mit dem Hashtag „freetheleopards“ und der Verbreitung von Solidaritätsbekundungen in leopardenfarbigen Kleidungsstücken.

 

Zweitens hat die deutsche Regierung lange Zeit darauf beharrt, nur dann Panzer liefern zu wollen, wenn die USA dies ebenfalls tun. Washington hatte jedoch mehrfach verweigert, Berlin eine Zusage zu geben. Biden verwies darauf, dass die Entscheidung über Waffenlieferungen eine nationale Angelegenheit Deutschlands sei. Als im Wall Street Journal dann bekannt wurde, dass die USA nun doch in Erwägung zog, ihre eigenen Panzer des Typs Abrams M1 zu liefern, änderte sich die Haltung der deutschen Regierung. Mittlerweile hat US-Präsident Biden die Gerüchte um die Lieferung von Kettenfahrzeugen bestätigt. Er hat den Versand von 31 Abrams angekündigt – auch wenn dies „einige Zeit in Anspruch nehmen wird“. 

 

Drittens übten vor allem NATO-Verbündete wochenlang Druck auf die deutsche Regierung und Zivilgesellschaft hinsichtlich der Lieferung von Leopardpanzern aus. Vor allem Polen ist hier hervorzuheben. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kündigte an, sich im Notfall über deutsches Recht hinwegwegzusetzen und „eigene Entscheidungen zu treffen“. Hintergrund ist, dass der Export deutscher Waffen nicht nur eine Genehmigung durch die Bundesregierung erfordert, sondern auch andere Länder eine Genehmigung durch die Bundesrepublik benötigen, um aus Deutschland importierte Waffen weiterzugeben. Letztlich knickte Scholz jedoch ein und gab dem Druck der verbündeten Staaten nach. Er gab ihnen die Erlaubnis, ebenfalls deutsche Panzer zu liefern.

 

Es hat sich gezeigt, dass die Entscheidung, Kampfpanzer zu liefern, weder im Interesse aller Mitgliedsstaaten ist, noch an die gespaltene Haltung der EU-BürgerInnen hinsichtlich Waffenlieferungen anschlussfähig ist. Dementgegen wurde ein transatlantischer Weg gegangen, der NATO-Verbündete und insbesondere die USA mit einbezieht. Sollte sich dieser Weg in anderen außen- und militärpolitischen  Fragen verstetigen, stellt sich die Frage, inwieweit die Interessen der EU-BürgerInnen und der Mitgliedsstaaten noch hinreichend berücksichtigt werden. Die Lieferung und Verwendung von immer mehr und schlagkräftigeren Waffen droht, den Ukrainekrieg zunehmend zu verschärfen. Dies steigert ebenfalls die Gefahr einer atomaren Eskalation.  

 

 

 

Quelle

 

Bertelsmann Stiftung (2022): Die Unterstützung für die Ukraine bröckelt nur leicht. Link zur Onlineressource: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2022/dezember/die-unterstuetzung-fuer-die-ukraine-broeckelt-nur-leicht#detail-content-224835. [Abrufdatum: 30.01.2023]. 

 

Handyakkus endlich wieder selber tauschen!

14.12.2022

 

Früher war es Standard, heute ist es die Ausnahme: das selbständige Wechseln von Handy- und Laptopakkus. Nach und nach haben Elektronikunternehmen Akkus fest verbaut. Heute muss man die Geräte fast ausschließlich einschicken oder zu einer Werkstatt bringen. Das kann schnell teuer werden. Und außerdem schadet das ständige Entsorgen von Geräten mit kaputtem Akku die Umwelt. 

Damit soll nun bald Schluss sein. Das Europaparlament hat eine Vorschrift auf den Weg gebracht, die Batterien zukünftig nachhaltiger, länger nutzbar und besser wiederverwertbar macht. Diese Vorschrift soll auch Verbrauchern ermöglichen, Akkus von Handys und Laptops leicht auszutauschen und zu ersetzen. Einen Haken hat das Ganze: Den Herstellern der mobilen Endgeräte soll eine Übergangszeit von dreieinhalb Jahren gewährt werden, um genug Zeit für den teils notwendigen Geräteumbau zu gewährleisten. Daher wird ein entsprechendes Gesetz wahrscheinlich erst 2026 in Kraft treten. 

Diese Maßnahme ist durchaus weitsichtig: Bis 2030 ist laut EU-Industriekommissar Thierry Breton von einer Verzehnfachung des Bedarfs an Akkus auszugehen. Umso wichtiger, die Umweltfreundlichkeit von Geräten mit Akkus zu steigern. Außerdem kommt eventuell sogar ein generelles Verbot von "nicht-wiederaufladbaren Komponenten", d.h. von klassischen Batterien. Ob dies möglich ist, möchte die EU-Kommission bis Ende 2030 prüfen.

Alles in allem ist der Gesetzesvorstoß in doppelter Hinsicht zu begrüßen: Es kann durch das eigenständige Tauschen von Akkus sowohl der Geldbeutel als auch die Umwelt geschont werden.

 

Europäisches Jahr der Kompetenzen

24.11.2022

 

2022 neigt sich langsam dem Ende entgegen und damit auch das Europäische Jahr der Jugend. 2023 geht ’s dann weiter mit dem Europäischen Jahr der Kompetenzen, wie Ursula von der Leyen bereits in ihrer Rede zur Lage der Union im September ankündigte (vgl. unseren Artikel dazu). Der Anlass für das Jahr der Kompetenzen ist der Vielfach attestierte »Fachkräftemangel«:  Wie auch in Deutschland regelmäßig Unternehmen beklagen, Stellen nicht besetzen zu können, tun sie es auf europäischer Ebene ebenso: Dreiviertel der EU-Unternehmen bemängeln Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften.

Diesen alarmierenden Zuständen möchte die EU-Kommission in Zusammenarbeit mit allen PartnerInnen in der EU entgegenwirken, indem sie Impulse zum »lebenslangen Lernen« setzt. Die Maßnahmen konzentrieren sich auf Investitionen in den Ausbildungs- und Weiterbildungssektor, die Vermittlung von arbeitsmarktrelevanter Kompetenzen sowie die Anwerbung von Drittstaatsangehörigen (EK 2022). 

Aus deutscher Perspektive ist besonders begrüßenswert, dass Aus- und Fortbildung forciert wird. Denn laut einer Studie des WSI (2022) ist für unbesetzte Arbeitsplätze vor allem die ungeeignete Qualifikation potentieller Arbeitskräfte verantwortlich. Was die Kommission jedoch nicht berücksichtigt, ist die Unternehmensseite: Auch zu schlechte Arbeitsbedingungen (z.B. Bezahlung und Arbeitszeiten) sind laut WSI bei 24 bis 32% der Befragten ein Grund für Stellenbesetzungsprobleme. Auch droht die Anwerbung von Drittstaatsangehörigen, wie sie die Kommission verstärkt angehen will, hiesige Arbeitsstandards zu unterlaufen. Daher ist es auch Aufgabe der Kommission, für eine »gleichwertige« Integration von MigrantInnen in den Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie den Bildungssektor zu sorgen. 

Insgesamt kann das Europäische Jahr der Kompetenzen wichtige Möglichkeiten bieten, um Ausbildung und Arbeitsmarktintegration zu verbessern. Nichtsdestotrotz weisen die Maßnahmen Leerstellen auf (Verbesserung von Arbeitsbedingungen) bzw. Risiken (Prekäre Arbeitsmarktintegration). Es ist nicht nur die Aufgabe der Kommission hier nachzubessern, sondern auch die nationaler Akteure, welche Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben. Dazu gehören etwa Sozialpartner und  nationale Regierungen. 

 

 

 

Quellen

 

EK (Europäische Kommision) (2022): EU-Kommission gibt Startschuss für das Europäische Jahr der Kompetenzen. Pressemitteilung vom 12. Oktober 2022. Link zur Onlineressource: https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-kommission-gibt-startschuss-fur-das-europaische-jahr-der-kompetenzen-2023-2022-10-12_de. [Abrufdatum: 24.09.2022]. 

WSI (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut): Fachkräftemangel in Deutschland? Befunde der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2021/22. Link zur Onlineressource: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008345. [Abrufdatum: 24.09.2022].

 

EU-Wirtschaft an einem Wendepunkt - Herbstprognose 2022

16.11.2022

 

Die Europäische Kommission veröffentlicht im Frühjahr und im Herbst jedes Jahres jeweils eine Zwischenprognose für die Entwicklung der EU-Wirtschaft. In den Zwischenprognosen werden Schätzungen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung im laufenden Jahr und für die Folgejahre unternommen. Die Schätzungen beziehen sich auf alle EU-Mitgliedsstaaten, die EU an sich sowie die Eurozone. In diesem Artikel wird in Anlehnung an die Herbstprognose 2022 eine Übersicht über die Erwartungen für 2023 und die Folgejahre gegeben. 

Die Herbstprognose trägt den bedeutungsschweren Titel „EU-Wirtschaft an einem Wendepunkt“. Und entsprechend wenig rosig fällt die Prognose aus: Im Zentrum des Berichts steht der Ukrainekrieg, der eine „Schockwelle“ ausgelöst hat und weltweit „nachfragedämpfend und inflationstreibend“ wirkt. Die EU gehört zu den am »stärksten gefährdeten Volkswirtschaften« unter den entwickelten Staaten. Dementsprechend fällt die Herbstprognose für 2023 auch deutlich schlechter aus, als es die Frühjahrsprognose für 2023 noch getan hat. Wichtig ist anzumerken, dass die Daten mit Vorsicht zu genießen sind, denn noch ist es unklar, wie sich der Ukrainekrieg entwickelt und daher das Potenzial für „weitere wirtschaftliche Störungen noch lange nicht ausgeschöpft ist“. 

 

Wie sieht die Prognose nun in den drei Bereichen Wirtschaftswachstum, Inflation und Beschäftigung aus?

Für 2023 wird eine »relative Stagnation« des Wirtschaftswachstums erwarten – das BIP der EU soll lediglich um 0,3 Prozent ansteigen. Dies wird auf "starken Gegenwind“ in Form explodierender Energiepreise zurückgeführt, die die Wirtschaftstätigkeit weiter dämpfen. 

Zwar wird prognostiziert, dass die Inflationsrate 2023 zurückgeht, aber 2023 immer noch 7 Prozent beträgt. Unter Berücksichtigung des Vergleichszeitraums ist dies trotzdem beachtlich: Inflationsraten werden immer im Verhältnis zum Preisniveau des »Vorjahres« angegeben. Das heißt konkret, die 7 Prozent Inflationsprognose für 2023 sagt aus, dass die Preise nochmal 7 Prozent höher als 2022 sein werden. Und 2022 werden sie bereits etwa 9,3 Prozent höher als noch 2021 sein. 

Eine positive Vorhersage betrifft lediglich das Beschäftigungsniveau. Die Arbeitsmärkte werden laut Prognose „widerstandsfähig bleiben“: Das Beschäftigungswachstum kommt 2023 zum „Stillstand“ und wird 2024 „moderat“ auf 0,4 Prozent ansteigen (EK 2022a). 

Obwohl die Arbeitslosigkeit 2023 also nicht ansteigen und 2024 sogar sinken soll, ist dennoch mit einer »monetären Abwertung« der Arbeitsplätze zu rechnen: Zwar sollen die Löhne nominal ansteigen, aber immer noch unter dem Zuwachs der Inflationsrate bleiben. Das heißt: Der Reallohn – also die inflationsbereinigte Kaufkraft – sinkt . Die Reallöhne sollen 2023 um 0,9 Prozent im Vergleich zu 2022 abnehmen. Dies ist besonders brisant angesichts dessen, dass die Reallöhne bereits 2020 um 1,8 Prozent gesunken und 2021 lediglich um 1,6 Prozent angestiegen sind, während sie 2022 mit -2,8 Prozent voraussichtlich stark sinken werden (EK 2022b).  

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Erwartungen der wirtschaftlichen Entwicklung für 2023 und 2024 »rezessiv« ausfallen. Insbesondere die weiter ansteigende Inflation bei einem dahinter zurückbleibenden Lohnwachstum führt zu einem nicht zu vernachlässigenden »Wohlstandsverlust« von Lohnabhängigen. Gerade in dieser Zeit braucht es kämpferische Gewerkschaften sowie expansive Lohn- und Fiskalpolitik, um Reallohnsenkungen Einhalt zu gebieten. Deswegen ist es begrüßenswert, dass auch 2023 die Fiskalregeln der EU ausgesetzt bleiben sollen. Dass etwa Staaten wie Deutschland die Schuldenbremse 2023 wieder einsetzen wollen, droht, die anstehende Rezession noch zu verschärfen. Im Sinne eines solidarischen Europas wäre es, die de facto Investitionsbremse abzuschaffen. 

 

 Quellen

 EK (Europäische Kommission) (2022a): Herbstprognose 2022: Die EU-Wirtschaft an einem Wendepunkt. Pressemitteilung. Brüssel. Link zur Onlineressource: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_6782. [Abrufdatum: 16.11.2022].

Ebd. (2022b): Autumn 2022 Economic Forecast: The EU economy at a turning point. Link zur Onlineressource: https://economy-finance.ec.europa.eu/economic-forecast-and-surveys/economic-forecasts/autumn-2022-economic-forecast-eu-economy-turning-point_en. [Abrufdatum: 16.11.2022].

Rückblick auf die State of the Union-Rede

13.10.2022

 
Im letzten Artikel ging es um die "State of the Union"-Rede vom 14.09.2022 - woher sie kommt, worum es bei ihr geht und ob man sie live verfolgen kann. Seitdem ist etwa ein Monat vergangen. Zeit, um auf die zentralen Inhalte aus der Rede zurückzublicken.

Bei ihrer Ansprache vorm Europäischen Parlament hat Ursula von der Leyen 8 zentrale Prioritäten für die kommende Zeit vorgestellt. 2023 werden die priorisierten Themen auch für uns im Europahaus Nordthüringen handlungsleitend sein. Daher lohnt es sich, sich jetzt schon mal einen Überblick zu verschaffen.

1.  betonte sie die »Solidarität mit der Ukraine«. Die EU werde weitere Finanzhilfen mobilisieren und unter anderem ein Wiederaufbauprogramm für ukrainische Schulen mit 100 Millionen Euro fördern. Außerdem strebt die Europäische Kommission an, der Ukraine einen nahtlosen Übergang in den Europäischen Binnenmarkt zu ermöglichen.
 
2. wurde eine »Energiepreisbremse« beschlossen, um der Verzehnfachung der Energiepreise seit Beginn des Vorjahrs entgegenzuwirken. Ende September 2022 einigten sich die Energieminister der Mitgliedsstaaten auf eine Preisobergrenze von 180 Euro pro Megawattstunde bei Öko-, Braunkohle- und Atomstromanbieter. Der massive Energiepreisanstieg sei laut von der Leyen insbesondere darauf zurückzuführen, dass Russland die Energiemärkte der EU manipuliere. Aufgrund dessen machen Energiekonzerne Extraprofite, welche  abgeschöpft werden. 

3.  Außerdem wird im Kontext der REPowerEU-Initiative die »Wasserstoff-Wirtschaft« ausgebaut. Dazu wird die Herstellung von Wasserstoff in der EU bis 2030 auf 10 Millionen Tonnen verdoppelt.

4. Mit der »Initiative für Mittelstand und Weiterbildung« werden mittelständische Unternehmen besonders gefördert. Mit der Agenda "Business in Europe: Framework for Income Taxation" (BEFIT) schafft die Europäische Kommission einheitliche Regeln für die ganze EU. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die berufliche Bildung zu verbessern, wird 2023 zum Europäischen Jahr für Aus- und Weiterbildung. 

5. Um mehr »Rohstoffsicherheit« zu gewährleisten hat von der Leyen zudem ein Europäisches Gesetz für kritische Rohstoffe vorgeschlagen. Damit soll die Versorgung mit kritischen Rohstoffen wie Lithium sichergestellt werden. Ein Europäischer Souveränitätsfonds soll zudem die Ansiedlung zukunftsfähiger Industrien in der EU fördern. 

6. ist für von der Leyen die »Stärkung der Demokratie« ein zentrales Anliegen, weshalb sie Bedeutung einer unabhängigen Justiz in den Mitgliedsstaaten betonte. Daher wird dem sogenannten Konditionalitätsmechanismus die Vergabe von EU-Mitteln an die Einhaltung rechtsstaatlicher Kriterien geknüpft.

7. Für von der Leyen hat die EU ebenfalls »Verantwortung in der Welt«. Deshalb wird sie in Kooperation mit den USA zu einem globalen Investitionsgipfel einladen. Außerdem betonte sie beim Komissionsgipfel abermals die europäische Erweiterungsperspektive für die Ukraine, die Republik Moldau und die Länder des westlichen Balkans. 

8. Um den UnionsbürgerInnen die Möglichkeit zu geben, aktiv an der Gestaltung der »Zukunft Europas« teilzuhaben, wurde eine Konferenz für die Zukunft Europas eingerichtet. Dies ist ein Forum für BürgerInnen, in dem über künftige Aufgaben der EU diskutiert wird. 

Artikel des Monats September: Was ist die "State of the European Union"-Rede?

 
Jedes Jahr im September findet sie statt: Die Rede der Kommissionspräsidentin oder des Kommissionspräsidenten zur Lage der Europäischen Union. So auch dieses Jahr: Am 14.09. wird Ursula von der Leyen vor das Europäische Parlament treten und ihre dritte Rede zur Lage der EU halten. Doch was steckt da dahinter?

Woher kommt die Idee einer „State of the Union“?

Ursprünglich aus den USA. Dort hält der US-Präsident schon seit Jahrhunderten vor dem Kongress eine solche Rede. Die erste datiert zurück zum 8. Januar 1790, als George Washington die Tradition begründete. Es gab zwar einige Unterbrechungen der Tradition, aber im Grundsatz besteht die Rede zur Lage der Union in den USA seitdem und bis heute. Die letzte „SOTU“ hielt der aktuelle Präsident Joe Biden am 3. Januar 2022. 

In der EU ist die Tradition noch deutlich jünger: Die  erste „State of the European Union“ (SOTEU) hielt der damalige Kommissionspräsident José Manuel Barroso am 7. September 2010.

Worum geht es in der Rede?

In der SOTEU informiert die Kommissionspräsidentin über die aktuellen Schwerpunktthemen auf europäischer Ebene. Sie gibt einen Rückblick auf die Lage der EU und einen Ausblick auf die Aktivitäten in den kommenden 12 Monaten. So wird beispielsweise häufig das jeweilige Europäische Themenjahr in der State of the Union bekanntgegeben – wie letztes Jahr das diesjährige Europäische Jahr der Jugend. Auch welche inhaltlichen Prioritäten die Kommission darüber hinaus setzen möchte, ist ein wichtiger Teil der SOTEU. 

Dieses Jahr wird erwartet, dass Ursula von der Leyen den Schwerpunkt auf den Überfall Russlands auf die Ukraine und all seine Folgen legen wird. Erwartbare Themen sind entsprechend Energieversorgung, Verteidigung und Außenpolitik im allgemeinen. 

Kann man die Rede live verfolgen?

Ja, das geht über verschiedene Kanäle. Die EU selbst bietet über Europe by Sattelite einen Livestream an. Auch auf der Facebook-Seite der Europäischen Kommission wird die Rede gestreamt – und durch Crossposting auch bei uns auf der Seite. Wer traditionell den Fernseher anschalten möchte: Auch der Fernsehsender Phoenix überträgt die Rede live. Los geht es um 9 Uhr morgens. Wenn das zeitlich nicht passt, ist die Rede natürlich auch im Anschluss noch on demand abrufbar.

+++ OFFENER BRIEF ZUR STÄRKUNG DER INTERNATIONALEN JUGENDARBEIT +++

An:                                                                                                                

Die Thüringer Abgeordneten des Deutschen Bundestages                 
Die Abgeordneten des Thüringer Landtages
Die Mitglieder der Planungsgruppe für den Thüringer Landesjugendförderplan 

 

Betrifft: Förderung der internationalen Jugendarbeit stärken! 


 Sehr geehrte Damen und Herren, 

die internationale Jugendarbeit ist ein – besonders wirkungsvolles! - Herzstück der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Internationale Erfahrungen sind aktuell wichtiger denn je – das gilt für die persönliche Entwicklung von Jugendlichen, ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt, aber auch dessen Entwicklung sowie für Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer globalisierten Welt. 

Leider fallen die Bedürfnisse der internationalen Jugendarbeit zu häufig den alltäglichen Notwendigkeiten in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zum Opfer. Die COVID-19 Pandemie mit all ihren Herausforderungen hat dies noch verstärkt. Doch aus unserer Sicht gilt gerade jetzt: Wir dürfen nicht riskieren, dass die Pandemie-Generation ihrer internationalen Erfahrungen beraubt wird! Gerade jetzt müssen wir zeigen, wie wichtig der internationale Austausch ist, der zwei Jahre lang quasi unmöglich war. 

Auch der Krieg in der Ukraine zeigt uns, dass die Völkerverständigung in Europa und darüber hinaus eine zentrale Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben auf unserem Kontinent und in der Welt ist. Diese kann nur durch gemeinsame Erfahrungen und den persönlichen Austausch erreicht werden. Dabei muss so früh wie möglich begonnen werden, Verständnis für Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft zu schaffen. Dazu braucht es eine starke und handlungsfähige internationale Jugendarbeit! 

Deshalb appellieren wir an Sie, die Sie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in diesem Bereich sind: Geben Sie der internationalen Jugendarbeit Priorität! Zeigen Sie so in Zeiten gesellschaftlicher Spaltungen, dass die europäische und internationale Idee Zukunft hat! Sie haben es in der Hand! 

Wir freuen uns über Ihre Unterstützung! 

Mit internationalen Grüßen 

 

Mariella Wauge,                                                        
Fachstelle IJAB Nordhausen  

Mathias Staudenmaier,                   
Europahaus Nordthüringen 

Veranstaltungsbericht: Europa in Thüringen - was macht die Thüringer Landesvertretung bei der EU?

In der EU-Hauptstadt Brüssel gibt es zahlreiche Institutionen: Die Kommission hat hier genauso wie die beiden Räte (Europäischer Rat und Rat der Europäischen Union) seinen Hauptsitz, das Parlament zumindest einen Arbeitssitz. Doch hier finden sich noch weitere Einrichtungen, die vielleicht nicht so bekannt sind - obwohl sie für die europäische Arbeit vor Ort auch sehr wichtig sind!


Ein Beispiel dafür sind die Landesvertretungen der Bundesländer bei der EU. Alle Bundesländer haben solche Vertretungen, so auch Thüringen. Sie sollen die europapolitischen Entwicklungen vor Ort beobachten und an ihre Landesregierungen berichten. Wir diskutierten mit Sven Bermig von der Vertretung darüber, was die Aufgaben der Vertretung sind. So hat sie verschiedene Funktionen wie die Berichtsfunktion, die Repräsentation und sie ist eine Art "Frühwarnsystem" für die Landesregierung.

Wir danken für die interessanten Einblicke!



Veranstaltungsbericht: Europafest der Thüringer Staatskanzlei

  Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause war es endlich wieder so weit: Das  Europafest der Thüringer Staatskanzlei konnte endlich in Saalfeld stattfinden!

In dem vielfältigen Angebot waren auch wir als Europahaus Nordthüringen ein Teil: Mit einem Informationsstand konnten wir viele Menschen erreichen und über die EU informieren! Dazu gab es auf der Bühne zahlreiche informative Diskussionsrunden genauso wie Musik und Tanz. Für das leibliche Wohl war mit Bratwurst, Brätel und Co. natürlich auch gesorgt.

Wir bedanken uns bei allen Menschen in Saalfeld, die mit uns gefeiert haben und freuen uns bereits auf das Europafest im nächsten Jahr!