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Wie läuft’s eigentlich beim ukrainischen EU-Beitrittsprozess?
13.11.2023
In den letzten Wochen hat der schreckliche Gazakrieg vieles in den Schatten gestellt. So auch den Ukrainekrieg, der von den Medien gegenüber dem Terror der Hamas und den schweren Angriffen israelischer Besatzungskräfte auf Gaza in den Hintergrund gerückt wurde. Dennoch tobt auch noch in der Ukraine weiterhin der Krieg und das dortige Leid der Menschen sollte keinesfalls in Vergessenheit geraten.
Nun ist es vielen bereits ein Begriff, dass die Ukraine ein EU-Beitrittskandidat ist. Gerade einmal 4 Tage nach der russischen Invasion 2022 hat die ukrainische Regierung den Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt. Am 24. Juni 2022 haben die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten dem völkerrechtswidrig angegriffenen Land einen Kandidatenstatus verliehen.
Jetzt gibt es einen neuen Vorstoß der Europäischen Kommission, der einen weiteren Schritt im EU-Beitrittsprozess anstößt: die Empfehlung für Beitrittsverhandlungen. Dies betrifft keinesfalls nur die Ukraine, sondern auch Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, die Türkei, die Republik Moldau und Georgien. Doch sind potentielle Beitrittsverhandlung mit der Ukraine besonders brisant, weil der Angriff Russlands eine große Welle der Solidarität mit den Osteuropäern ausgelöst hat. Im Windschatten der weitreichenden Solidaritätsbekundungen quittierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Haltung der EU mit den Worten: „Sie sind einer von uns und wir wollen sie drin haben.“
Die positive Haltung der Kommission zur Ukraine spiegelt sich auch im jüngsten Erweiterungspaket wider. So heißt es in der zugehörigen Bewertung, dass die Ukraine „trotz des anhaltenden Krieges, eine starke Reformdynamik geschaffen“ hat. Das betrifft konkret:
· Ein transparentes Vorauswahlsystem für die Richter des Verfassungsgerichts und eine Reform der Justiz-Leitungsgremien
· Eine wachsende Erfolgsbilanz bei Korruptionsermittlungen und Verurteilungen auf hoher Ebene sowie ein gestärkter institutioneller Rahmen in diesem Bereich
· Fortschritte bei der Begrenzung des Einflusses von Oligarchen
In der Bewertung werden also vor allem die Stärkung der Justiz und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption hervorgehoben. Dies sind unter den erschwerten Kriegsbedingungen besonders lobenswerte Errungenschaften. Dennoch: Um eine realistische Einschätzung der ukrainischen Beitrittschancen zu treffen, nicht es aber nicht nur wichtig, Fortschritte zu berücksichtigen, sondern auch Rückschritte bzw. Stagnation.
Dies betrifft etwa die tiefgreifende Beschneidung gewerkschaftlicher Rechte, welche im Kriegsverlauf vorgenommen wurde. Wie der Deutsche Gewerkschaftsbund berichtet, gerieten seit Kriegsbeginn zunehmend Arbeitnehmerrechte unter Beschuss. Dazu gehört etwa die Abschaffung des Tarifverhandlungsrecht in Betrieben mit bis zu 250 Beschäftigten. Zudem wird den Unternehmen gestattet, bestehende Tarifbestimmungen in Einzelarbeitsverträgen zu ignorieren.
Wir sagen: Auch unter Kriegsbedingungen müssen im Einklang mit den Statuten der International Labour Organisation (ILO) grundlegende Arbeitnehmerrechte geschützt werden. Möchte die Ukraine Teil der Europäischen Union werden, dann muss sie nicht nur an die Erfolge im Kampf gegen die Korruption anknüpfen, sondern auch grundlegende demokratische Rechte wieder stärken. Dazu gehört auch die Rücknahme von Gesetzen, die Gewerkschaften mit Repression begegnen.
Deine Chance für eine Reise durch ganz Europa!
Gewinne ein DiscoverEU-Reiseticket
05.10.2023
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Mehr Unterstützung von der EU ist gefragt
Flutkatastrophe in Libyen
18.09.2023
Mehr als 11.000 Tote und 10.100 Vermisste, mindestens 35.000 Obdachlose und 40.000 Flüchtende. Das ist die bisherige Bilanz der Flutkatastrophe in Libyen, die am 04. September begann und mindestens bis zum 07. September anhielt. Der Auslöser war das Sturmtief „Daniel“, welche heftigen Überschwemmungen im Osten Libyens verursacht hat. Von den Folgen ist insbesondere die 100.000-Einwohnerstadt Darna betroffen, denn dort brachen zwei Staudämme.
Als Reaktion hat der libysche Staat beim Büro der Vereinten Nationen in Genf um internationale Hilfe gebeten. Und diese folgte sogleich: Das EU-Katastrophenschutzverfahren wurde aktiviert, woraufhin zunächst Deutschland, Rumänien und Finnland Libyen zur Seite sprangen. Sie stellten von Zelten, Feldbetten und Decken über Generatoren und Nahrungsmitteln bis hin zu Krankenhauszelten und Wassertanks diverse Hilfsgüter bereit. Später schlossen sich Frankreich, Italien und die Niederlande den europäischen Ersthelfern an.
Doch reichen die Hilfsgüter laut Angaben von Helfern, Bewohnern und internationalen Beobachtern noch längst nicht aus. Das liegt auch an organisatorischen und logistischen Problemen. Die Verteilung von Essen, Medikamenten, Planen und anderen Hilfsgütern bleibt schwierig. Außerdem wird sauberes Trinkwasser knapp, was wiederum die Sorge schürt, dass sich Krankheiten wie Cholera ausbreiten.
Es steigt außerdem die Gefahr mit Landminen und anderen explosiven Kampfmitteln in Berührung zu kommen, die durch die Fluten in Bewegung gesetzt wurden. Jene sind Überbleibsel des jahrelangen Bürgerkriegs, welcher das Land bis heute spaltet.
Angesichts dieser katastrophalen Zustände ist weitere Hilfe seitens der EU und seiner Mitgliedsstaaten unerlässlich. Die 500.000 Euro an EU-Geldern für humanitäre Hilfe (Stand: 14. September 2023) sind bei weitem nicht genug. Hier muss die Union noch beweisen, dass die Hilfe nicht vor ihren Außengrenzen Halt macht.
Trotz EU-Hilfe: Nigers Zivilbevölkerung droht die humanitäre Katastrophe
04.08.2023
Nicht nur auf dem europäischen Subkontinent kommt es durch den Ukrainekrieg zu richtungsweisenden Verschiebungen in den geopolitischen Kräftekonstellationen. Auch in Afrika rumort es. Ende Juli putschte das nigrische Militär gegen die erste demokratisch gewählte Regierung Nigers.
Als Reaktion stellten die afrikanische Union und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) den Putschisten ein Ultimatum, die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen und verhängte Wirtschaftssanktionen. Andererseits erklärten die Regierungen von Burkina Faso und Mali, dass sie eine militärische Intervention gegen Niger auch als Angriff gegen sich auffassen würden. Die Kriegsgefahr steigt – Die humanitäre Lage droht sich zuzuspitzen.
Und die Lebenssituation vieler nigrischer Staatsbürger ist bereits äußerst prekär: Laut Analysten sind steigende Lebenserhaltungskosten und eine als inkompetent und korrupt wahrgenommene Regierung die Hauptauslöser für den Putsch (Aljazeera 2023). Niger gehört trotz seines Rohstoffreichtums – vor allem Uran und Gold – zu einem der ärmsten Länder der Welt: Im Entwicklungs-Indes nahm es zuletzt Platz 189 von 191 erfassten Staaten ein.
Durch asymmetrische Verträge mit westlichen Staaten, wozu allen voran die Ex-Kolonialmacht Frankreich gehört, bleibt wenig des Reichtums im Land. Nur ca. jeder fünfte Nigrer ist an das Stromnetzt angeschlossen, 40 Prozent lebt unterhalb der Armutsgrenze, ein Drittel der Kinder ist untergewichtig, die Analphabetenquote liegt bei 62 Prozent. Nur die Hälfte der Einwohner hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, nur 16 Prozent sind an eine angemessene Sanitärversorgung angeschlossen (Sonneborn 2023).
Nachdem antiwestliche Putschisten Frankreich 2022 aus Mali und Burkina Faso vertrieben, wurde Niger zum neuen Dreh- und Angelpunkt vom französischen Kampf gegen den Dschihad in der Sahelzone. Der durch die Putschisten mittlerweile irregulär abgesetzte Präsident Mohamed Bazoum wurde zu einem der wenigen verbliebenden prowestlichen Führer der Region. Gleichzeitig wurde die pro-russische Stimmung innerhalb der Bevölkerung immer größer.
Nun hat Frankreich mindestens aus zwei Gründen ein Interesse daran, eine prowestliche Ordnung in Niger wiederherzustellen: Einerseits, wegen der großen Rohstoffabhängigkeit (ca. 20 % der Uranimporte kommen aus der Sahel-Zone) und der geostrategisch wichtigen Funktion Nigers im Kampf gegen den Dschihad. Gleichzeitig befinden sich EU-Bürger in wachsender Gefahr. Die Bedrohung rührt aus der antiwestlichen Einstellung der Putschisten und dem drohenden Krieg mit dem Westen und / oder der afrikanischen Union sowie den ECOWAS-Staaten.
Unter diesen Eindrücken hat Frankreich über das EU-Katastrophenschutzverfahren Hilfe beantragt. Die Europäische Kommission bewilligte nach kurzer Zeit den Hilfsantrag für Rückführungen aus Niger. Sie übernimmt nun die Koordination und Kosten für die Heimreise von EU-Bürgern unterschiedlicher Staatsangehörigkeit. Zwei Flugzeuge sind bereits in Frankreich eingetroffen, rund 500 Personen zurückgekehrt. Weitere Flüge sind in Vorbereitung (Europäische Kommission 2023).
Sofern sich die Lage in Niger weiter zuspitzt, wird es immer wichtiger, möglichst viele EU-Bürger möglichst schnell aus dem Land zu evakuieren. Für nigrische Staatsangehörige sieht es jedoch schlecht aus. Sie haben in der Regel kaum Möglichkeiten das bitterarme Land unbeschadet zu verlassen. Dementsprechend ist es von vorrangiger Bedeutung, dass diplomatische Bemühungen verstärkt werden. Wie der Sahel-Experte Olaf Bernau feststellt, „werden die Wirtschaftssanktionen von ECOWAS die ökonomische Krise weiter verschärfen.“ (evangelische Zeitung 2023) Ein bi- oder sogar multilateraler Krieg würde unermessliches Leid über Nigers Zivilbevölkerung bringen.
Quellen
Europäische Kommission (2023): EU unterstützt das Ausfliegen von Bürgerinnen und Bürgern aus Niger. Pressemitteilung vom 02.08.2023. Link zur Onlineressource: https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-unterstutzt-das-ausfliegen-von-burgerinnen-und-burgern-aus-niger-2023-08-02_de. [Abrufdatum 04.08.2023].
Evangelische Zeitung (2023): Sahel-Experte kritisiert Sanktionen gegen Niger. Artikel vom 04.09.2023. Link zur Onlineressource: https://www.evangelische-zeitung.de/sahel-experte-kritisiert-sanktionen-gegen-den-niger. [Abrufdatum: 04.08.2023].
Aljazeera (2023): Niger’s Bazoum ‚held by guards‘ in apparent coup attempt. Artikel vom 26.07.2023. Link zur Onlineressource: https://www.aljazeera.com/news/2023/7/26/soldiers-holding-niger-president-inside-palace-security-sources. [Abrufdatum: 04.08.2023].
Sonneborn, Martin (2023): Martin Sonneborn: Globaler Süden will nicht mehr vom Westen ausgeplündert werden. In: Berliner Zeitung vom 03.08.2023. https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/martin-sonneborn-globaler-sueden-will-nicht-mehr-vom-westen-ausgepluendert-werden-li.375484. [Abrufdatum: 04.08.2023].
Mythos Bargeld-Abschaffung
27.07.2023
Als 2021 Die Europäische Zentralbank (EZB) ein Projekt für den digitalen Euro beschloss, wurden sogleich Stimmen lauter, die die Abschaffung des Bargelds befürchteten. Obwohl die Währungshüter von Anfang an klarstellten, dass der digitale Euro das Euro-Bargeld nur ergänzen und nicht ersetzen sollten, geben sich manche Medien Mühe, den Mythos der Bargeldabschaffung zu befeuern und damit aufrechtzuerhalten.
Die überregionale Zeitung die Welt (2023) titelte „Heimliche Abschaffung des Bargelds? So rechtfertigt die EU den digitalen Euro“. Beim Lesen des Artikels wird jedoch schnell klar: Das Bargeld soll nicht ersetzt werden, der digitale Euro soll lediglich eine zusätzliche Zahlungsmöglichkeit sein. Mehr noch: Ein Vorschlag der Europäischen Kommission sieht laut EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sogar vor, dass die Mitgliedsstaaten „Maßnahmen ergreifen müssen, wenn Bargeld als Zahlungsform in großem Maße abgelehnt wird.“
Da nun etwaige Sorgen um die Beseitigung der Euroscheine und -münzen hoffentlich ausgeräumt wurden, kann sich der Frage gewidmet werden, worum es sich beim digitalen Euro handelt und was ihn von unserem ebenfalls digitalen Geld auf Giro- und Sparkonten unterscheidet. Die kurze Antwort lautet: Bei den Euros auf Bankkonten handelt es sich um privates Geld, sogenanntem Giralgeld oder Buchgeld, der digitale Euro ist Zentralbankgeld, also gesetzliches Zahlungsmittel.
Giralgeld schöpfen Banken auf Knopfdruck, wenn sie Kredite an ihre Kunden vergeben. Bei Bargeld und dem digitalen Euro handelt es sich um Zentralbankgeld, also öffentliches Geld. Bisher können sich Banken das Zentralbankgeld bei der EZB leihen oder die EZB kauft mit ihm Schuldtitel von Eurostaaten – sogenannte Staatsanleihen – von Banken auf. Privatpersonen haben bisher keinen Zugriff auf Zentralbankgeld in digitaler Form, sondern nur auf Bargeld. Dies soll sich mit der EZB-Initiative für den digitalen Euro nun ändern.
Derzeit arbeitet eine Gruppe bestehend aus Vertretern der EZB sowie nationalen Notenbanken im Eurosystem intensiv an der möglichen technischen und funktionalen Ausgestaltung eines digitalen Euro. Im Frühherbst will die Arbeitsgruppe einen Vorschlag vorlegen, wie der digitale Euro ausgestaltet werden könnte.
„Dabei berücksichtigt diese Gruppe insbesondere die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, die den digitalen Euro künftig nutzen würden. Die bisherigen Untersuchungen und Umfragen zum digitalen Euro haben ergeben, dass für sie eine einfache, bequeme Nutzung, ein hohes Maß an Sicherheit und eine breite Akzeptanz für den Gebrauch entscheidend sind.“ (Bundesbank 2023)
Doch ob ein digitaler Euro kommen wird, ist derzeit noch Ungewisse. Im Herbst wird lediglich entschieden, ob an dem Projekt weitergearbeitet wird. Wenn sich dafür entschieden wird, könnte ein digitaler Euro Schritt für Schritt ab 2027 für die Bewohner des Euroraums eingeführt werden.
Quellen
· Bundesbank (2023): Nächste Schritte. Digitaler Euro. Link zur Onlineressource: https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/unbarer-zahlungsverkehr/digitaler-euro/naechste-schritte. [Abrufdatum: 27.07.2023]
· Die Welt (2023): Heimliche Abschaffung des Bargelds? So rechtfertigt die EU den digitalen Euro. Link zur Onlineressource: https://www.welt.de/finanzen/plus246110348/Geld-Heimliche-Abschaffung-des-Bargelds-So-rechtfertigt-die-EU-den-digitalen-Euro.html [Abrufdatum: 27.07.2023].
Die Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission – Deutschlands hegemoniale Stellung gerät ins Wanken
01.06.2023
Anfang der 2000er Jahre wurden unter Gerhard Schröders rot-grüner Regierung die Agenda-2010-Reformen durchgeführt. Sie zielten wesentlich auf die Deregulierung, Flexibilisierung und Liberalisierung des Arbeitsmarktes und Sozialstaats ab. Dadurch wurde ein immenser Druck auf die Lohnentwicklung ausgeübt, wodurch wiederum die Binnennachfrage erheblich abgeschwächt wurde. Für Unternehmen sind die Anreize gestiegen, Waren zu exportieren anstatt im heimischen Markt unter eingebrochener effektiver Nachfrage zu verkaufen. Damit konnten vor allem aufstrebende Volkswirtschaften wie China bedient werden.
Es bildete sich ein exportorientiertes Wachstumsmodell heraus, mit dem Deutschland seine Konkurrenzfähigkeit in der EU verbessern und die Staatengemeinschaft schließlich dominieren konnte. Dies hat das mitteleuropäische Land während der Eurokrise vielfach gezeigt, indem die Bundesregierung den Sparkurs für die Südeuropäer wesentlich mitprägte.
Die aktuelle Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission deutet nun darauf hin, dass Deutschlands hegemoniale Stellung ins Wanken gerät. Dies zeigt sich an der Entwicklung des Bruttoinlandprodukts (BIP), der Inflation und der inflationsbereinigten Löhne, also der Reallöhne.
Hinsichtlich der BIP-Entwicklung soll Deutschland 2023 mit 0,2 Prozent BIP-Wachstum den drittletzten Platz einnehmen. Hinter ihm sind nur noch Estland (-0,4 Prozent) und Schweden (0,5 Prozent). Und auch für 2024 verbessert sich die Prognose kaum merklich: Deutschland soll mit einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent lediglich um einen Platz aufsteigen. Dann nähme das Land immer noch den viertletzten Platzen vor den Niederlanden (1,2 Prozent), Italien (1,1 Prozent) und Schweden (ebenfalls 1,1 Prozent) ein.
Auch 2023 und 2024 soll es weiterhin Inflation geben, auch wenn in abgeschwächter Form: 2023 soll die Inflationsrate 6,8 Prozent und damit 0,1 Prozent weniger als noch 2022 betragen. Hierfür verantwortlich sei vor allem die Preisobergrenze für Gas und Strom, welche die Weitergabe des erhöhten Energiegroßhandelspreises durch die Unternehmen limitiert. 2024 soll die Teuerungsrate dann auf 2,7 Prozent absinken. Für die weitere Minderung der Inflation soll laut Prognose vor allem ein weiterer Rückgang der Energiekosten verantwortlich sein. Damit läge sie jedoch immer noch 0,7 Prozentpunkte über dem 2-Prozent-Inflationsziel der Europäischen Zentralbank.
In beiden Jahren würde Deutschland im Mittelfeld der EU-Staaten liegen. Nicht so jedoch bei den Reallöhnen pro Kopf. Diese sollen 2023 weiter um -0,4 Prozent absinken. Damit lägen die deutschen Reallohnverluste nach Tschechien (-4 Prozent), Italien (-1,9 Prozent), Ungarn (-1,5 Prozent), Schweden (-1,3 Prozent) Griechenland (-0,6 Prozent) auf dem sechstletzten Platz. Erst 2024 verbessert sich die Prognose für die deutschen Lohnabhängigen. Für dieses Jahr wird ein Reallohnanstieg von 3 Prozent erwartet, was nach Bulgarien (5,1 Prozent), Ungarn (4,1 Prozent) Litauen (4 Prozent), Lettland (3,5 Prozent) der fünfthöchste Wert wäre.
Doch ist die Frage, ob der erwartete Reallohnanstieg 2024 auch so eintritt. Im Modell der Kommission wird die „angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt“ für den erwartet kräftigen Anstieg verantwortlich gemacht. Dem scheint die neoklassische Annahme zugrundezuliegen, dass der Preis der Arbeit von seinem Grenzprodukt abhängig ist – sinkt das Angebot an Arbeitskräften, steigen die Löhne und umgekehrt.
Jedoch ist für die Lohnhöhne weniger die pure Anzahl der Lohnabhängigen verantwortlich, sondern viel mehr ihre organisatorische Fähigkeit. Das heißt: Inwieweit sind sie im Stande ihre Kräfte vor allem in Gewerkschaften zu bündeln und damit höhere Löhne gegenüber ihren Arbeitgebern durchzusetzen. Angesichts der Tarifabschlüsse 2022, die für breite Schichten der Lohnabhängigen unter dem Inflationsniveau lag, ist der 3-prozentige Reallohnanstieg zu hoch angesetzt. Er sollte unserer Einschätzung nach unter diesem Niveau liegen, außer die Gewerkschaften verbessern ihre Verhandlungsmacht umfassend.
Das werden wir jedoch sehen. Fest steht: Deutschlands EU-Führungsrolle gerät ins Wanken. Derzeit ist nicht viel von der Ampel-Regierung an Gegenmaßnahmen zu erwarten, denn diese hält an einem prozyklischen Sparkurs fest. Doch werden die wirtschaftlichen Bedingungen und damit auch die Lebensbedingungen in Deutschland schlechter, verliert das vorherrschende Krisenmanagement zunehmend an Legitimität in der Bevölkerung. Je länger die Krise anhält, desto wahrscheinlicher wird ein politischer Wandel.
Polen präsentiert erste Eckpfeiler für seine EU-Ratspräsidentschaft
02.05.2023
Dass Polen die Ratspräsidentschaft des Rats der Europäischen Union übernommen hat, ist bereits einige Jahre her. Das erste und einzige Mal war in der zweiten Hälfte des Jahres 2011. Zu den Prioritäten dieser Präsidentschaft gehörten damals der Abschluss der Beitrittsgespräche mit Kroatien und das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine.
Bald ist es wieder so weit. Polen wird in den ersten 6 Monaten des Jahres 2025 die Ratspräsidentschaft übernehmen. Dies ist zwar noch etwa anderthalb Jahre hin, trotzdem gab Polens Präsident Andrezj Duda kürzlich wesentliche Eckpfeiler für die kommende Präsidentschaft bekannt.
Hierbei stehen zwei Bereiche im Vordergrund:
Erstens die transatlantische Partnerschaft. Das bedeutet: Geht es nach Polen, soll vor allem verstärkt mit den USA zusammengearbeitet werden. Duda bringt dies mit dem Motto „Mehr Vereinigte Staaten in Europa, mehr Europäische Union in den USA“ auf den Punkt. Vor allem soll die Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Wirtschaft gestärkt werden. Als erfolgreiche Beispiele der militärischen Zusammenarbeit betrachtet der polnische Präsident die Unterstützung der Ukraine, einschließlich der Präsenz von US-Truppen in Polen und die Stärkung der Ostflanke der NATO.
Zweitens betrifft die Erweiterung der EU. Hier stehen vor allem die Ukraine und Moldau im Fokus. Laut Duda sei die Integration der beiden Länder in die Europäische Gemeinschaft eine „historische Voraussetzung“. Außerdem will er die EU-Beitrittsprozesse der westlichen Balkanländer beschleunigen, denn diese Länder warten schon mehr als zehn Jahre auf ihren Beitritt zur Union.
Die polnische Regierung setzt also schon früh Schwerpunkte für ihren Kurs in der Ratspräsidentschaft. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die geplanten Projekte auch realisiert werden können. Die Dynamiken des Ukrainekriegs ist noch nicht sicher vorauszusehen, genauso wie die Entwicklung der europäisch-amerikanischen Verhältnisse. Auch bestimmt der Ratspräsident des Ministerrats nicht alleine über den EU-Kurs, sondern muss sich mit den anderen EU-Institutionen abstimmen und auseinandersetzen.
Daher ist es noch weitestgehend offen, wie sich die Ratspräsidentschaft konkret ausgestaltet. Jedoch gibt die polnische Regierung durch ihre offene und frühzeitige Kommunikation schon für die heutige Politik wichtige Impulse. Das ist sogleich strategisch clever, um die Gangart der Union in eine gewisse Richtung zu beeinflussen.
Recht auf Reparatur stärken!
03.04.2023
Zusammen mit dem Europäischen Grünen Deal hat die Kommission einen Aktionsplan zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft vorgelegt. Dieser sieht vor, die Wiederverwendung von Rohstoffen zu erhöhen. Nun hat die Europäische Kommission einen neuen Vorschlag eingereicht, der diesem Ziel noch mehr Inhalt geben soll.
Der Kommissionsvorschlag betrifft das Recht auf Reparatur bei defekten Waren. Denn jedes Jahr werden rund 35 Millionen Waren entsorgt, obwohl sie leicht zu reparieren gewesen wären. Der Vorschlag sieht unter anderem folgenden Schritte im Detail vor:
1. Kunden können demnächst auf die Reparatur bestehen – auch innerhalb der EU-weiten Garantiefrist. Voraussetzung ist, dass die Instandsetzung nicht teurer als ein neues Gerät ist. Außerdem sollen Hersteller je nach Gerätetyp zwischen fünf und zehn Jahren Ersatzteile bereithalten müssen.
2. Daneben sollen die EU-Mitgliedsstaaten eine Internetplattform für Reparaturdienste aufbauen, die eine Übersicht über Handwerksbetriebe gibt, welche für die jeweilige Reparatur in Frage kommen. Außerdem wären Hersteller künftig dazu verpflichtet, ihre Baupläne und Reparaturanleitungen offenzulegen.
3. Über ein EU-weites Formular für Reparaturdienste sollen den Kunden zudem Informationen über die benötigte Wartungszeit und zu erwartenden Kosten bereitgestellt werden. Dies soll sowohl für mehr Transparenz für die Verbraucher als auch für mehr Wettbewerb zwischen den Reparaturanbietern sorgen.
Wir als Europahaus Nordthüringen sagen: Das Recht auf Reparatur zu stärken, ist ein wichtiger Schritt für mehr Verbraucherrechte und ökologische Nachhaltigkeit. Jedoch bleibt offen, in wie Fern dieses Recht im größeren Maßstab realisiert wird, solange der Grundsatz gilt, dass die Reparatur nicht teurer als ein neues Gerät sein darf.
Schon heute scheint das Übersteigen von Umtauschkosten durch die Reparationskosten häufig der Fall zu sein, denn ansonsten würden Unternehmen defekte Waren viel häufiger von reparieren als sie auszutauschen. Unternehmen sind darauf angewiesen, möglichst günstig zu produzieren, um sich im Wettbewerb mit konkurrierenden Wirtschaftsakteuren durchzusetzen. Wenn Reparieren günstiger als Umtauschen wäre, würde sie im Normalfall bereits von sich aus so handeln.
Daher macht es nur Sinn, Unternehmen unabhängig davon, ob Reparieren oder Ersetzen teurer ist, darauf zu verpflichten, immer auch einen Reparaturservice anzubieten. Dies würde Unternehmensanreize erhöhen, die Reparierbarkeit der angebotenen Waren zu steigern, um immer noch wirtschaftlich handeln zu können. Umwelt und Verbraucher wären es den Unternehmen dankbar.
Erste Region weltweit - Bald soll es einen digitalen Führerschein für EU-Bürger geben
06.03.2023
In der EU nimmt die Digitalisierung des öffentlichen Lebens weiter Fahrt auf. So weit, wie in der Zukunftsvision von Zurück in die Zukunft II, sind wir heute allerdings im Verkehrsbereich noch nicht. Robert Zemecki hat sich das Jahr 2015 in seiner Kultfilmreihe bereits mit schwebenden Skateboards und fliegenden Autos vorgestellt. Aber ein digitaler Führerschein kann schon bald Realität sein. Die EU wäre damit die erste Region weltweit.
Hintergrund ist ein neues Straßensicherheitspaket der Europäischen Kommission, das EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean am 01. März bei einer Pressekonferenz vorstellte. Die Kommissarin will nicht nur die grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei schweren Verkehrsverstößen verbessern, den Fahlschulunterricht in allen Mitgliedsstaaten modernisieren, das begleitete Fahren ab 17 Jahren EU-weit einführend und einer grenzüberschreitenden Probezeit für alle EU-Fahranfänger vorschreiben. Auch der digitale Führerschein soll bald Standard für EU-Bürger werden.
Die Europäische Kommission strebt mit der digitalen Fahrerlaubnis an, den grenzüberschreitenden Verkehr zu erleichtern und die lästige Suche nach Dokumenten zu ersparen. Jede EU-BürgerIn soll den Fahrausweis auf sein Handy oder ein anderes digitales Endgerät laden und von dort aus immer abrufen können.
Wer jetzt Angst hat, seinen analogen ‚Lappen‘ zu verlieren, den kann die Verkehrskommissarin beruhigen. Sie machte bei der Pressekonferenz klar, dass es nach wie vor möglich sein wird, eine physische Version des Ausweisdokuments zu beantragen.
Wir vom Europahaus Nordthüringen sagen: Es ist wirklich wichtig, dass es nach wie vor die Möglichkeit geben soll, einen analogen Führerschein zu verwenden. Insbesondere älteren Menschen, die häufig nicht besonders technik- und digitalisierungsaffine sind, hilft es, ihren Fahralltag auf die altbekannte Weise zu bewältigen. So laufen SeniorInnen nicht Gefahr, in der Mobilitätswelt abgehängt zu werden. Dies stärkt den Zusammenhalt zwischen den Generationen.
Joe Bidens Inflation Reduction Act – Wo bleibt eine schlagkräftige Antwort der EU?
15.02.2023
Die Inflationsrate der USA geht zurück. Während sie im Juni 2022 noch um 9,1 Prozent höher als im Vorjahresmonat war, lag sie im Januar 2023 nur noch bei 6,4 Prozent. Mitzurückzuführen ist dies auf den Inflation Reduction Act (IRA) mit dem die Biden-Administration über 700 Milliarden US-Dollar mobilisiert. Mit 238 Milliarden Dollar von dieser Summer werden Staatsschulden beglichen, mit 391 Milliarden grüne Energie gefördert, die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente gesenkt und in die heimische Energieversorgung investiert.
Laut Josefin Meyer (2023) vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung soll der IRA vor allem dreierlei bezwecken: 1. Stärkung der heimischen Wirtschaft. 2. Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Lieferengpässen. 3. Positionierung der USA als Technologieführerin. Inwieweit diese Ziele erreicht werden, kann heute noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es ist jedoch klar, dass die US-Regierung nicht allzu viele Finanzmittel mobilisiert: Die 391 Milliarden Dollar sind für 10 Jahre angedacht und belaufen sich damit jährlich auf durchschnittlich 39,1 Milliarden Dollar. Dies ist äußerst gering, setzt man sie ins Verhältnis zu den US-amerikanischen Staatsausgaben. Allein 2021 betrugen sie etwa 9,7 Billionen Dollar.
Dennoch fällt das mediale und politische Echo auf den IRA in Europa ziemlich negativ aus. Dies liegt vor allem daran, dass in ihm eine America-first-Note mitschwingt: Der IRA begünstigt steuerlich nur jene Unternehmen, die grüne Technologie und kritische Rohstoffe in den USA produzieren oder sie aus Ländern beziehen, mit denen die USA Freihandelsabkommen abgeschlossen hat. Zu letzteren gehören etwa Mexiko und Kanada. Europa ist dabei außen vor, da die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP, welches zwischen den USA und der EU angedacht ist, seit mehreren Jahren auf Eis liegen.
Was auf der einen Seite die US-Wirtschaft stärken soll, droht auf der anderen Seite, der EU-Wirtschaft zu schaden. Denn: Durch die Subvention von US-Unternehmen werden gleichzeitig Anreize für ausländische Unternehmen gesetzt, ihre Produktion in die USA zu verlagern. Dort können sie nicht nur von den günstigeren Energiepreisen sondern auch von staatlicher Hilfe profitieren. Außerdem fürchten EU-Unternehmen um Absatzmärkte in den USA, sollte es durch den IRA gelingen, die US-Wirtschaft weniger importanhängig zu machen. Insbesondere das exportgetriebene Wachstumsmodell Deutschlands droht so beeinträchtigt zu werden.
Was hält die EU nun dagegen? Zentral ist hier ein Industrieplan, den die Europäische Kommission (2023) am 01. Februar vorgestellt hat und der auf den Europäischen Grünen Deal aufbaut. Mit diesem sogenannten Green Industrial Plan soll „die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen CO2-neutralen Industrie gestärkt und der rasche Übergang zur Klima-Neutralität unterstützt werden“. Doch kann er das Versprechen der Kommission einlösen, Europa eine „Führungsrolle“ bei der CO2-neutralen Industrie zu sichern? Wohl eher weniger. Es handelt sich lediglich um eine unverbindliche Ideensammlung, EU-Gesetze sollen erst später folgen. Spiegelbildlich zum IRA sieht der Kommissionsvorschlag vor allem eine Lockerung der strikten EU-Beihilferegeln sowie Steuervergünstigungen vor. Hingegen sollen im Gegensatz zum US-amerikanischen Pedant keine zusätzlichen Finanzmittel mobilisiert werden.
Und selbst eine Lockerung der Beihilferegeln stößt bereits auf Widerstand. Lediglich Deutschland und Frankreich sind dafür, während vor allem kleinere EU-Staaten fürchten, bei einem drohenden Subventionswettlauf auf der Strecke bleiben. Diese Sorge ist durchaus berechtigt. Finanzkräftigere Länder wie Deutschland können leichter an frisches Geld kommen, während finanzschwächere Länder wie Italien dabei immer wieder Probleme haben. Andersherum blocken Frankreich und Deutschland sowie die Niederlande einen Vorschlag ab, der vorsieht, dass alle EU-Staaten zusammen Schulden
für grüne Invesitionen aufnehmen. So würde das Risiko bei der Kreditaufnahme für den einzelnen Mitgliedsstaat sinken, wovon vor allem finanzschwächere Länder profitieren würden. Eine gemeinsame Schuldenaufnahme geschah beispielsweise, als es 2020 um die Finanzierung des Wiederaufbaufonds zur Bekämpfung der Coronakrise ging.
Derzeit sieht es nicht danach aus, dass es in naher Zukunft zu einer Einigung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten kommt. Derweilen wird auch ein juristisches Vorgehen gegen die Subventionspolitik durch den IRA in Erwägung gezogen. Bereits Anfang Dezember haben Abgeordnete des Europaparlaments eine Klage vor der Welthandelsorganisation gegen die USA diskutiert. Eine mögliche Klage ist nun erneut auf dem Tisch. Damals wie heute kommen sie zu der Einschätzung, dass die protektionistischen Elemente des IRA gegen Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen würden.
Doch dauert eine solche Klage mehrere Jahre. Und sowohl der drohende Klimakollaps als auch die sich verschärfende Konkurrenzsituation von europäischen und US-amerikanischen Unternehmen sind heute schon Anlass genug, auch hier die Förderung grüner Wirtschaftszweige massiv auszubauen. Dazu bräuchte es aber ein gemeinschaftliches und solidarisches Vorgehen der Mitgliedsstaaten. Hier liegt der Ball vor allem im Feld von finanzkräftigeren Ländern wie Deutschland. Diese stemmen sich jedoch bisher gegen eine gemeinschaftliche Schuldenaufnahme zur Finanzierung industriepolitischer Gegenmaßnahmen, welche grünes Wirtschaften stärken sollen.
Quellen
Europäische Kommission (2023): Der Industrieplan für den Grünen Deal: Für Europas CO2-neutrale Industrie die Führungsrolle sichern. Pressemitteilung vom 01. Februar 2023. Link zur Onlineressource: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_510. [Abrufdatum: 14.02.2023].
Meyer, Josefin (2023): Inflation Reduction Act bringt EU in Zugzwang bei kritischen Rohstoffen und grünen Technologien. Pressemitteilung vom 08.02.2023. Link zur Onlineressource: https://www.diw.de/de/diw_01.c.864924.de/inflation_reduction_act_bringt_eu_in_zugzwang_bei_kritischen_rohstoffen_und_gruenen_technologien.html. [Abrufdatum: 14.02.2023].
Kampfpanzer-Lieferungen: Transatlatiker first – EU second
30.01.2023
Jetzt wird es ernst: Die deutsche Regierung will im informellen Bündnis mit den USA und anderen Staaten Panzer an die Ukraine liefern. Vierzehn Leopard-2-Panzer kommen davon alleine aus der Bundesrepublik. Im „Panzerbündnis“ befinden sich auch mehrere EU- und NATO-Mitgliedsstaaten wie Polen, Finnland und Spanien. Größtenteils wollen die EU-Staaten aber keine Kettenfahrzeuge abgeben. Und die entsprechenden Regierungen haben dafür auch nachvollziehbare Gründe: So machte die tschechische Regierung klar, dass sie nicht zugunsten der Ukraine auf das Kriegsgerät verzichten könne. Und auch die Slowakei wolle einen Import deutscher Leopardpanzer nicht an die Ukraine umwidmen, weil sie selbst schon Ersatz für abgegebenes Gerät sind und daher als unverzichtbar gelten.
Allgemein ist in der EU höchst umstritten, ob die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützt werden solle. Laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung unterstützte im September lediglich die Hälfte der EU-BürgerInnen die Abgabe von Kriegsgerät an die Ukraine – das sind 6 Prozent weniger als noch im März 2022. Schaut man sich die Zustimmung nach Mitgliedsstaaten an, fällt die Bejahung zu Waffenlieferungen an die Ukraine sehr divers aus: Während sie etwa Polen mit 76 Prozent befürworten, unterstützen dies Italiener um mehr als die Hälfte weniger (36 Prozent). Deutschland ist hingegen gespalten, denn etwa 48 Prozent sind positiv gegenüber der Lieferung von Kriegsgerät an den angegriffen Staat in Osteuropa eingestellt (Bertelsmann Stiftung 2022).
Es lässt sich also festhalten: Weder von den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten, noch von der EU-Bevölkerung gibt es ein eindeutiges OK für die Lieferung von Leopardpanzern bzw. Kriegsgerät im Allgemeinen. Wieso dann dieser Schritt? Dafür sind mindestens drei Faktoren ausschlaggebend:
Erstens hat die Ukraine über Wochen öffentlichkeitswirksame PR-Kampagnen verfolgt. Insbesondere der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mehrfach öffentlich betont, wie wichtig Panzer für den Sieg der Ukraine seien und die zögernde Haltung von Olaf Scholz und seiner Regierung kritisiert. Begleitet wurde dies von einer Social-Media-Kampagne mit dem Hashtag „freetheleopards“ und der Verbreitung von Solidaritätsbekundungen in leopardenfarbigen Kleidungsstücken.
Zweitens hat die deutsche Regierung lange Zeit darauf beharrt, nur dann Panzer liefern zu wollen, wenn die USA dies ebenfalls tun. Washington hatte jedoch mehrfach verweigert, Berlin eine Zusage zu geben. Biden verwies darauf, dass die Entscheidung über Waffenlieferungen eine nationale Angelegenheit Deutschlands sei. Als im Wall Street Journal dann bekannt wurde, dass die USA nun doch in Erwägung zog, ihre eigenen Panzer des Typs Abrams M1 zu liefern, änderte sich die Haltung der deutschen Regierung. Mittlerweile hat US-Präsident Biden die Gerüchte um die Lieferung von Kettenfahrzeugen bestätigt. Er hat den Versand von 31 Abrams angekündigt – auch wenn dies „einige Zeit in Anspruch nehmen wird“.
Drittens übten vor allem NATO-Verbündete wochenlang Druck auf die deutsche Regierung und Zivilgesellschaft hinsichtlich der Lieferung von Leopardpanzern aus. Vor allem Polen ist hier hervorzuheben. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kündigte an, sich im Notfall über deutsches Recht hinwegwegzusetzen und „eigene Entscheidungen zu treffen“. Hintergrund ist, dass der Export deutscher Waffen nicht nur eine Genehmigung durch die Bundesregierung erfordert, sondern auch andere Länder eine Genehmigung durch die Bundesrepublik benötigen, um aus Deutschland importierte Waffen weiterzugeben. Letztlich knickte Scholz jedoch ein und gab dem Druck der verbündeten Staaten nach. Er gab ihnen die Erlaubnis, ebenfalls deutsche Panzer zu liefern.
Es hat sich gezeigt, dass die Entscheidung, Kampfpanzer zu liefern, weder im Interesse aller Mitgliedsstaaten ist, noch an die gespaltene Haltung der EU-BürgerInnen hinsichtlich Waffenlieferungen anschlussfähig ist. Dementgegen wurde ein transatlantischer Weg gegangen, der NATO-Verbündete und insbesondere die USA mit einbezieht. Sollte sich dieser Weg in anderen außen- und militärpolitischen Fragen verstetigen, stellt sich die Frage, inwieweit die Interessen der EU-BürgerInnen und der Mitgliedsstaaten noch hinreichend berücksichtigt werden. Die Lieferung und Verwendung von immer mehr und schlagkräftigeren Waffen droht, den Ukrainekrieg zunehmend zu verschärfen. Dies steigert ebenfalls die Gefahr einer atomaren Eskalation.
Quelle
Bertelsmann Stiftung (2022): Die Unterstützung für die Ukraine bröckelt nur leicht. Link zur Onlineressource: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2022/dezember/die-unterstuetzung-fuer-die-ukraine-broeckelt-nur-leicht#detail-content-224835. [Abrufdatum: 30.01.2023].
Handyakkus endlich wieder selber tauschen!
14.12.2022
Früher war es Standard, heute ist es die Ausnahme: das selbständige Wechseln von Handy- und Laptopakkus. Nach und nach haben Elektronikunternehmen Akkus fest verbaut. Heute muss man die Geräte fast ausschließlich einschicken oder zu einer Werkstatt bringen. Das kann schnell teuer werden. Und außerdem schadet das ständige Entsorgen von Geräten mit kaputtem Akku die Umwelt.
Damit soll nun bald Schluss sein. Das Europaparlament hat eine Vorschrift auf den Weg gebracht, die Batterien zukünftig nachhaltiger, länger nutzbar und besser wiederverwertbar macht. Diese Vorschrift soll auch Verbrauchern ermöglichen, Akkus von Handys und Laptops leicht auszutauschen und zu ersetzen. Einen Haken hat das Ganze: Den Herstellern der mobilen Endgeräte soll eine Übergangszeit von dreieinhalb Jahren gewährt werden, um genug Zeit für den teils notwendigen Geräteumbau zu gewährleisten. Daher wird ein entsprechendes Gesetz wahrscheinlich erst 2026 in Kraft treten.
Diese Maßnahme ist durchaus weitsichtig: Bis 2030 ist laut EU-Industriekommissar Thierry Breton von einer Verzehnfachung des Bedarfs an Akkus auszugehen. Umso wichtiger, die Umweltfreundlichkeit von Geräten mit Akkus zu steigern. Außerdem kommt eventuell sogar ein generelles Verbot von "nicht-wiederaufladbaren Komponenten", d.h. von klassischen Batterien. Ob dies möglich ist, möchte die EU-Kommission bis Ende 2030 prüfen.
Alles in allem ist der Gesetzesvorstoß in doppelter Hinsicht zu begrüßen: Es kann durch das eigenständige Tauschen von Akkus sowohl der Geldbeutel als auch die Umwelt geschont werden.
Europäisches Jahr der Kompetenzen
24.11.2022
2022 neigt sich langsam dem Ende entgegen und damit auch das Europäische Jahr der Jugend. 2023 geht ’s dann weiter mit dem Europäischen Jahr der Kompetenzen, wie Ursula von der Leyen bereits in ihrer Rede zur Lage der Union im September ankündigte (vgl. unseren Artikel dazu). Der Anlass für das Jahr der Kompetenzen ist der Vielfach attestierte »Fachkräftemangel«: Wie auch in Deutschland regelmäßig Unternehmen beklagen, Stellen nicht besetzen zu können, tun sie es auf europäischer Ebene ebenso: Dreiviertel der EU-Unternehmen bemängeln Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften.
Diesen alarmierenden Zuständen möchte die EU-Kommission in Zusammenarbeit mit allen PartnerInnen in der EU entgegenwirken, indem sie Impulse zum »lebenslangen Lernen« setzt. Die Maßnahmen konzentrieren sich auf Investitionen in den Ausbildungs- und Weiterbildungssektor, die Vermittlung von arbeitsmarktrelevanter Kompetenzen sowie die Anwerbung von Drittstaatsangehörigen (EK 2022).
Aus deutscher Perspektive ist besonders begrüßenswert, dass Aus- und Fortbildung forciert wird. Denn laut einer Studie des WSI (2022) ist für unbesetzte Arbeitsplätze vor allem die ungeeignete Qualifikation potentieller Arbeitskräfte verantwortlich. Was die Kommission jedoch nicht berücksichtigt, ist die Unternehmensseite: Auch zu schlechte Arbeitsbedingungen (z.B. Bezahlung und Arbeitszeiten) sind laut WSI bei 24 bis 32% der Befragten ein Grund für Stellenbesetzungsprobleme. Auch droht die Anwerbung von Drittstaatsangehörigen, wie sie die Kommission verstärkt angehen will, hiesige Arbeitsstandards zu unterlaufen. Daher ist es auch Aufgabe der Kommission, für eine »gleichwertige« Integration von MigrantInnen in den Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie den Bildungssektor zu sorgen.
Insgesamt kann das Europäische Jahr der Kompetenzen wichtige Möglichkeiten bieten, um Ausbildung und Arbeitsmarktintegration zu verbessern. Nichtsdestotrotz weisen die Maßnahmen Leerstellen auf (Verbesserung von Arbeitsbedingungen) bzw. Risiken (Prekäre Arbeitsmarktintegration). Es ist nicht nur die Aufgabe der Kommission hier nachzubessern, sondern auch die nationaler Akteure, welche Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben. Dazu gehören etwa Sozialpartner und nationale Regierungen.
Quellen
EK (Europäische Kommision) (2022): EU-Kommission gibt Startschuss für das Europäische Jahr der Kompetenzen. Pressemitteilung vom 12. Oktober 2022. Link zur Onlineressource: https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-kommission-gibt-startschuss-fur-das-europaische-jahr-der-kompetenzen-2023-2022-10-12_de. [Abrufdatum: 24.09.2022].
WSI (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut): Fachkräftemangel in Deutschland? Befunde der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2021/22. Link zur Onlineressource: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008345. [Abrufdatum: 24.09.2022].
EU-Wirtschaft an einem Wendepunkt - Herbstprognose 2022
16.11.2022
Die Europäische Kommission veröffentlicht im Frühjahr und im Herbst jedes Jahres jeweils eine Zwischenprognose für die Entwicklung der EU-Wirtschaft. In den Zwischenprognosen werden Schätzungen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung im laufenden Jahr und für die Folgejahre unternommen. Die Schätzungen beziehen sich auf alle EU-Mitgliedsstaaten, die EU an sich sowie die Eurozone. In diesem Artikel wird in Anlehnung an die Herbstprognose 2022 eine Übersicht über die Erwartungen für 2023 und die Folgejahre gegeben.
Die Herbstprognose trägt den bedeutungsschweren Titel „EU-Wirtschaft an einem Wendepunkt“. Und entsprechend wenig rosig fällt die Prognose aus: Im Zentrum des Berichts steht der Ukrainekrieg, der eine „Schockwelle“ ausgelöst hat und weltweit „nachfragedämpfend und inflationstreibend“ wirkt. Die EU gehört zu den am »stärksten gefährdeten Volkswirtschaften« unter den entwickelten Staaten. Dementsprechend fällt die Herbstprognose für 2023 auch deutlich schlechter aus, als es die Frühjahrsprognose für 2023 noch getan hat. Wichtig ist anzumerken, dass die Daten mit Vorsicht zu genießen sind, denn noch ist es unklar, wie sich der Ukrainekrieg entwickelt und daher das Potenzial für „weitere wirtschaftliche Störungen noch lange nicht ausgeschöpft ist“.
Wie sieht die Prognose nun in den drei Bereichen Wirtschaftswachstum, Inflation und Beschäftigung aus?
Für 2023 wird eine »relative Stagnation« des Wirtschaftswachstums erwarten – das BIP der EU soll lediglich um 0,3 Prozent ansteigen. Dies wird auf "starken Gegenwind“ in Form explodierender Energiepreise zurückgeführt, die die Wirtschaftstätigkeit weiter dämpfen.
Zwar wird prognostiziert, dass die Inflationsrate 2023 zurückgeht, aber 2023 immer noch 7 Prozent beträgt. Unter Berücksichtigung des Vergleichszeitraums ist dies trotzdem beachtlich: Inflationsraten werden immer im Verhältnis zum Preisniveau des »Vorjahres« angegeben. Das heißt konkret, die 7 Prozent Inflationsprognose für 2023 sagt aus, dass die Preise nochmal 7 Prozent höher als 2022 sein werden. Und 2022 werden sie bereits etwa 9,3 Prozent höher als noch 2021 sein.
Eine positive Vorhersage betrifft lediglich das Beschäftigungsniveau. Die Arbeitsmärkte werden laut Prognose „widerstandsfähig bleiben“: Das Beschäftigungswachstum kommt 2023 zum „Stillstand“ und wird 2024 „moderat“ auf 0,4 Prozent ansteigen (EK 2022a).
Obwohl die Arbeitslosigkeit 2023 also nicht ansteigen und 2024 sogar sinken soll, ist dennoch mit einer »monetären Abwertung« der Arbeitsplätze zu rechnen: Zwar sollen die Löhne nominal ansteigen, aber immer noch unter dem Zuwachs der Inflationsrate bleiben. Das heißt: Der Reallohn – also die inflationsbereinigte Kaufkraft – sinkt . Die Reallöhne sollen 2023 um 0,9 Prozent im Vergleich zu 2022 abnehmen. Dies ist besonders brisant angesichts dessen, dass die Reallöhne bereits 2020 um 1,8 Prozent gesunken und 2021 lediglich um 1,6 Prozent angestiegen sind, während sie 2022 mit -2,8 Prozent voraussichtlich stark sinken werden (EK 2022b).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Erwartungen der wirtschaftlichen Entwicklung für 2023 und 2024 »rezessiv« ausfallen. Insbesondere die weiter ansteigende Inflation bei einem dahinter zurückbleibenden Lohnwachstum führt zu einem nicht zu vernachlässigenden »Wohlstandsverlust« von Lohnabhängigen. Gerade in dieser Zeit braucht es kämpferische Gewerkschaften sowie expansive Lohn- und Fiskalpolitik, um Reallohnsenkungen Einhalt zu gebieten. Deswegen ist es begrüßenswert, dass auch 2023 die Fiskalregeln der EU ausgesetzt bleiben sollen. Dass etwa Staaten wie Deutschland die Schuldenbremse 2023 wieder einsetzen wollen, droht, die anstehende Rezession noch zu verschärfen. Im Sinne eines solidarischen Europas wäre es, die de facto Investitionsbremse abzuschaffen.
Quellen
EK (Europäische Kommission) (2022a): Herbstprognose 2022: Die EU-Wirtschaft an einem Wendepunkt. Pressemitteilung. Brüssel. Link zur Onlineressource: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_6782. [Abrufdatum: 16.11.2022].
Ebd. (2022b): Autumn 2022 Economic Forecast: The EU economy at a turning point. Link zur Onlineressource: https://economy-finance.ec.europa.eu/economic-forecast-and-surveys/economic-forecasts/autumn-2022-economic-forecast-eu-economy-turning-point_en. [Abrufdatum: 16.11.2022].
Rückblick auf die State of the Union-Rede
13.10.2022
Im letzten Artikel ging es um die "State of the Union"-Rede vom 14.09.2022 - woher sie kommt, worum es bei ihr geht und ob man sie live verfolgen kann. Seitdem ist etwa ein Monat vergangen. Zeit, um auf die zentralen Inhalte aus der Rede zurückzublicken.
Bei ihrer Ansprache vorm Europäischen Parlament hat Ursula von der Leyen 8 zentrale Prioritäten für die kommende Zeit vorgestellt. 2023 werden die priorisierten Themen auch für uns im Europahaus Nordthüringen handlungsleitend sein. Daher lohnt es sich, sich jetzt schon mal einen Überblick zu verschaffen.
1. betonte sie die »Solidarität mit der Ukraine«. Die EU werde weitere Finanzhilfen mobilisieren und unter anderem ein Wiederaufbauprogramm für ukrainische Schulen mit 100 Millionen Euro fördern. Außerdem strebt die Europäische Kommission an, der Ukraine einen nahtlosen Übergang in den Europäischen Binnenmarkt zu ermöglichen.
2. wurde eine »Energiepreisbremse« beschlossen, um der Verzehnfachung der Energiepreise seit Beginn des Vorjahrs entgegenzuwirken. Ende September 2022 einigten sich die Energieminister der Mitgliedsstaaten auf eine Preisobergrenze von 180 Euro pro Megawattstunde bei Öko-, Braunkohle- und Atomstromanbieter. Der massive Energiepreisanstieg sei laut von der Leyen insbesondere darauf zurückzuführen, dass Russland die Energiemärkte der EU manipuliere. Aufgrund dessen machen Energiekonzerne Extraprofite, welche abgeschöpft werden.
3. Außerdem wird im Kontext der REPowerEU-Initiative die »Wasserstoff-Wirtschaft« ausgebaut. Dazu wird die Herstellung von Wasserstoff in der EU bis 2030 auf 10 Millionen Tonnen verdoppelt.
4. Mit der »Initiative für Mittelstand und Weiterbildung« werden mittelständische Unternehmen besonders gefördert. Mit der Agenda "Business in Europe: Framework for Income Taxation" (BEFIT) schafft die Europäische Kommission einheitliche Regeln für die ganze EU. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die berufliche Bildung zu verbessern, wird 2023 zum Europäischen Jahr für Aus- und Weiterbildung.
5. Um mehr »Rohstoffsicherheit« zu gewährleisten hat von der Leyen zudem ein Europäisches Gesetz für kritische Rohstoffe vorgeschlagen. Damit soll die Versorgung mit kritischen Rohstoffen wie Lithium sichergestellt werden. Ein Europäischer Souveränitätsfonds soll zudem die Ansiedlung zukunftsfähiger Industrien in der EU fördern.
6. ist für von der Leyen die »Stärkung der Demokratie« ein zentrales Anliegen, weshalb sie Bedeutung einer unabhängigen Justiz in den Mitgliedsstaaten betonte. Daher wird dem sogenannten Konditionalitätsmechanismus die Vergabe von EU-Mitteln an die Einhaltung rechtsstaatlicher Kriterien geknüpft.
7. Für von der Leyen hat die EU ebenfalls »Verantwortung in der Welt«. Deshalb wird sie in Kooperation mit den USA zu einem globalen Investitionsgipfel einladen. Außerdem betonte sie beim Komissionsgipfel abermals die europäische Erweiterungsperspektive für die Ukraine, die Republik Moldau und die Länder des westlichen Balkans.
8. Um den UnionsbürgerInnen die Möglichkeit zu geben, aktiv an der Gestaltung der »Zukunft Europas« teilzuhaben, wurde eine Konferenz für die Zukunft Europas eingerichtet. Dies ist ein Forum für BürgerInnen, in dem über künftige Aufgaben der EU diskutiert wird.
Artikel des Monats September: Was ist die "State of the European Union"-Rede?
Jedes Jahr im September findet sie statt: Die Rede der Kommissionspräsidentin oder des Kommissionspräsidenten zur Lage der Europäischen Union. So auch dieses Jahr: Am 14.09. wird Ursula von der Leyen vor das Europäische Parlament treten und ihre dritte Rede zur Lage der EU halten. Doch was steckt da dahinter?
Woher kommt die Idee einer „State of the Union“?
Ursprünglich aus den USA. Dort hält der US-Präsident schon seit Jahrhunderten vor dem Kongress eine solche Rede. Die erste datiert zurück zum 8. Januar 1790, als George Washington die Tradition begründete. Es gab zwar einige Unterbrechungen der Tradition, aber im Grundsatz besteht die Rede zur Lage der Union in den USA seitdem und bis heute. Die letzte „SOTU“ hielt der aktuelle Präsident Joe Biden am 3. Januar 2022.
In der EU ist die Tradition noch deutlich jünger: Die erste „State of the European Union“ (SOTEU) hielt der damalige Kommissionspräsident José Manuel Barroso am 7. September 2010.
Worum geht es in der Rede?
In der SOTEU informiert die Kommissionspräsidentin über die aktuellen Schwerpunktthemen auf europäischer Ebene. Sie gibt einen Rückblick auf die Lage der EU und einen Ausblick auf die Aktivitäten in den kommenden 12 Monaten. So wird beispielsweise häufig das jeweilige Europäische Themenjahr in der State of the Union bekanntgegeben – wie letztes Jahr das diesjährige Europäische Jahr der Jugend. Auch welche inhaltlichen Prioritäten die Kommission darüber hinaus setzen möchte, ist ein wichtiger Teil der SOTEU.
Dieses Jahr wird erwartet, dass Ursula von der Leyen den Schwerpunkt auf den Überfall Russlands auf die Ukraine und all seine Folgen legen wird. Erwartbare Themen sind entsprechend Energieversorgung, Verteidigung und Außenpolitik im allgemeinen.
Kann man die Rede live verfolgen?
Ja, das geht über verschiedene Kanäle. Die EU selbst bietet über Europe by Sattelite einen Livestream an. Auch auf der Facebook-Seite der Europäischen Kommission wird die Rede gestreamt – und durch Crossposting auch bei uns auf der Seite. Wer traditionell den Fernseher anschalten möchte: Auch der Fernsehsender Phoenix überträgt die Rede live. Los geht es um 9 Uhr morgens. Wenn das zeitlich nicht passt, ist die Rede natürlich auch im Anschluss noch on demand abrufbar.
+++ OFFENER BRIEF ZUR STÄRKUNG DER INTERNATIONALEN JUGENDARBEIT +++
An:
Die Thüringer Abgeordneten des Deutschen Bundestages
Die Abgeordneten des Thüringer Landtages
Die Mitglieder der Planungsgruppe für den Thüringer Landesjugendförderplan
Betrifft: Förderung der internationalen Jugendarbeit stärken!
Sehr geehrte Damen und Herren,
die internationale Jugendarbeit ist ein – besonders wirkungsvolles! - Herzstück der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Internationale Erfahrungen sind aktuell wichtiger denn je – das gilt für die persönliche Entwicklung von Jugendlichen, ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt, aber auch dessen Entwicklung sowie für Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer globalisierten Welt.
Leider fallen die Bedürfnisse der internationalen Jugendarbeit zu häufig den alltäglichen Notwendigkeiten in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zum Opfer. Die COVID-19 Pandemie mit all ihren Herausforderungen hat dies noch verstärkt. Doch aus unserer Sicht gilt gerade jetzt: Wir dürfen nicht riskieren, dass die Pandemie-Generation ihrer internationalen Erfahrungen beraubt wird! Gerade jetzt müssen wir zeigen, wie wichtig der internationale Austausch ist, der zwei Jahre lang quasi unmöglich war.
Auch der Krieg in der Ukraine zeigt uns, dass die Völkerverständigung in Europa und darüber hinaus eine zentrale Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben auf unserem Kontinent und in der Welt ist. Diese kann nur durch gemeinsame Erfahrungen und den persönlichen Austausch erreicht werden. Dabei muss so früh wie möglich begonnen werden, Verständnis für Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft zu schaffen. Dazu braucht es eine starke und handlungsfähige internationale Jugendarbeit!
Deshalb appellieren wir an Sie, die Sie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in diesem Bereich sind: Geben Sie der internationalen Jugendarbeit Priorität! Zeigen Sie so in Zeiten gesellschaftlicher Spaltungen, dass die europäische und internationale Idee Zukunft hat! Sie haben es in der Hand!
Wir freuen uns über Ihre Unterstützung!
Mit internationalen Grüßen
Mariella Wauge,
Fachstelle IJAB Nordhausen
Mathias Staudenmaier,
Europahaus Nordthüringen
Veranstaltungsbericht: Europa in Thüringen - was macht die Thüringer Landesvertretung bei der EU?
In der EU-Hauptstadt Brüssel gibt es zahlreiche Institutionen: Die Kommission hat hier genauso wie die beiden Räte (Europäischer Rat und Rat der Europäischen Union) seinen Hauptsitz, das Parlament zumindest einen Arbeitssitz. Doch hier finden sich noch weitere Einrichtungen, die vielleicht nicht so bekannt sind - obwohl sie für die europäische Arbeit vor Ort auch sehr wichtig sind!
Ein Beispiel dafür sind die Landesvertretungen der Bundesländer bei der EU. Alle Bundesländer haben solche Vertretungen, so auch Thüringen. Sie sollen die europapolitischen Entwicklungen vor Ort beobachten und an ihre Landesregierungen berichten. Wir diskutierten mit Sven Bermig von der Vertretung darüber, was die Aufgaben der Vertretung sind. So hat sie verschiedene Funktionen wie die Berichtsfunktion, die Repräsentation und sie ist eine Art "Frühwarnsystem" für die Landesregierung.
Wir danken für die interessanten Einblicke!
Veranstaltungsbericht: Europafest der Thüringer Staatskanzlei
Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause war es endlich wieder so weit: Das Europafest der Thüringer Staatskanzlei konnte endlich in Saalfeld stattfinden!
In dem vielfältigen Angebot waren auch wir als Europahaus Nordthüringen ein Teil: Mit einem Informationsstand konnten wir viele Menschen erreichen und über die EU informieren! Dazu gab es auf der Bühne zahlreiche informative Diskussionsrunden genauso wie Musik und Tanz. Für das leibliche Wohl war mit Bratwurst, Brätel und Co. natürlich auch gesorgt.
Wir bedanken uns bei allen Menschen in Saalfeld, die mit uns gefeiert haben und freuen uns bereits auf das Europafest im nächsten Jahr!